Worte als Waffen: Asymmetrie und Vorteil im sprachlichen Wettstreit
Was haben Schach und Pfauenfedern gemeinsam? In der Geschichte der Menschheit gab es auf eine derartige Frage lange Zeit keine vernünftige Antwort. Heute können wir antworten: „Sie können beide mit Hilfe eines Zweigs der Mathematik, nämlich die Spieltheorie, analysiert werden. Bei Spielen wie Schach geht es um Wettbewerb, um Strategien für mehr Erfolg und zur Vermeidung von Fehlschlägen.
Tarnen und Täuschen
Die Pfauenfedern sind ein gutes Beispiel fortgeschrittener Evolution. Man kann sie nicht verstehen, ohne zugleich die Augen und das Gehirn des Weibchens zu berücksichtigen, deren Paarungsvorliebe über Jahrtausende hinweg zur Selektion eines zunehmend schillernden männlichen Gefieders geführt hat. Männchen senden Signale aus, Weibchen entschlüsseln sie. Entsprechend kann man nicht Blumen verstehen, ohne das Nervensystem der Insekten zu berücksichtigen. Die Blumen senden Signale aus, die Insekten entschlüsseln sie – oder mißverstehen sie, denn biologische Signale können irreführend sein.

Lunar Hornet Moth (Sesia bembeciformis) by Ian Kimber
Falsches Signal: der große Weiden-Glasflügler (Sesia bembeciformis),
ein Schmetterling, tarnt sich als Wespe
Manche Orchideenarten überlisten männliche Bienen mit Blüten, die das Aussehen oder den Geruch weiblicher Bienen nachahmen. Die männlichen Bienen bestäuben die Orchideen, indem sie versuchen, sich mit den Blüten zu paaren. Falsche Signale können auch abschrecken oder verbergen: manche harmlosen Insekten ahmen Wespen nach, andere imitieren Blätter oder Stengel. Wie den Parasitismus, so findet man auch das Tarnen und Täuschen überall in der Natur. Diese drei biologischen Aspekte können auch ein Licht auf das menschliche Verhalten werfen.
Barrieren durch Worte
Denn schließlich stehen Menschen auch im Wettbewerb miteinander. Wie die [anderen] Tiere senden und empfangen wir Signale, aber wir haben eine zusätzliche Form Signale entwickelt: wir sind die einzige Spezies, die eine vollausgebildete Sprache hat. Tatsächlich definiert uns die Sprache als eine Spezies und sie steht im Mittelpunkt allen Sozialverhaltens. Aber sie kann dabei auch in einem negativen Sinn wirken, indem sie Fremde ausschließt. Es gibt eine faszinierende Theorie, daß die Sprachenvielfalt – die Anzahl unterschiedlicher Sprachen, die in einer bestimmten Region gesprochen wird – von der Vielfalt der Parasiten dieser Region gefördert wird. Das würde erklären, warum die Sprachen in den Tropen am vielfältigsten und unterschiedlichsten sind. Je mehr Parasiten es gibt, umso wichtiger ist es für einen Stamm, eventuell infizierte Fremde fernzuhalten. Ob nun Parasiten die sprachliche Vielfalt ankurbeln oder nicht, auf jeden Fall stellen unterschiedliche Sprachen vorzügliche Barrieren dar – nicht nur gegen Infektionen, sondern auch gegen Schmarotzer.
Die Sprache kann aber auch eine Hilfe für Schmarotzertum und andere Formen der Ausbeutung sein. Überall in der Welt findet man Gaunersprachen und Slang: sie stärken die Bindung innerhalb der Gruppe und schirmen die Tätigkeit der Gruppe gegen prüfende Blicke von außen ab. Wenn aber Kriminelle fern ihrer Heimat operieren, brauchen sie keine neue Sprache zu erfinden. Das dümmliche liberale Motto “Vielfalt ist unsere Stärke“ kann falscher nicht sein, denn die Bekämpfung der Kriminalität wird weit schwieriger, wenn die Kriminellen Dutzende verschiedener Sprachen benutzen. In London oder New York muß sich die Polizei Informationen in allen möglichen Sprachen verschaffen – von Albanisch und Russisch bis Türkisch und Arabisch. Außerdem können fremde Kriminelle den Gang der Justiz verschleppen und erschweren, indem sie bei der Verhaftung oder Verurteilung vorgeben, kein Englisch zu können (siehe meinen Hinweis in “When with Roma”) Read more